Waschbär und Marderhund

Waschbär und Marderhund, OÖ LJV

Was erwartet uns?

Die gebietsfremden Raubwildarten Marderhund (Nyctereutes procyonoides), auch Enok genannt, und Waschbär (Proycon lotor) haben längst auch in Österreich Fuß gefasst und breiten sich weiter aus. Diese beiden jagdbaren Wildarten werden in Europa als potentiell invasiv eingestuft. Man geht also davon aus, dass ihre Ausbreitung möglicherweise Probleme nach sich zieht.

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Was uns bei einem weiteren Populationsanstieg tatsächlich erwarten kann, soll hier durch die Diskussion neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und durch einen Blick in andere, von dieser biologischen Invasion betroffene Länder dargestellt werden.

Geschickte Jäger oder sammelnde Allesfresser? – Einfluss durch Raubdruck Waschbär und Marderhund sind sogenannte opportunistische Nahrungsgeneralisten. Sie sind also Allesfresser, die besonders das fressen, was am häufigsten vorhanden ist. Dabei sind sie als Sammler unterwegs, die viele kleine Nahrungsobjekte (z.B. Insekten) und auch Pflanzen aufnehmen. Geschickte Jäger sind sie nicht und ihr Einfluss auf Populationen möglicher Beutetiere ist somit eher gering. Auch wenn diese neuen Prädatoren ein Fasanen- oder Rebhuhngelege wohl nicht verschmähen und vielleicht auch einmal einen Junghasen aufnehmen, so suchen sie jedoch nicht gezielt danach. Für die viel zitierte Gefährdung des Niederwildes konnten in verschiedenen europäischen Studien dementsprechend keine Beweise gefunden werden. Anders sieht es mit ihrem Einfluss auf seltene Beutetierarten aus, besonders wenn diese geklumpt auftreten, wie es bei manchen Amphibien, Reptilien und koloniebrütenden Vögeln zu gewissen Zeiten im Jahr der Fall ist. Hier gibt es viele Vermutungen und einzelne Hinweise auf den räuberischen Einfluss von Enok oder Waschbär.

So wird der Marderhund gerade in Trappenschutzgebieten und in Küstenregionen mit Brutkolonien seltener Seevögel als Bedrohung gesehen. Eine Verringerung des lokalen Bruterfolges von Wasservogelpopulationen durch den Enok konnte in Untersuchungen aus Estland nachgewiesen werden – eine finnische Studie zeigte hingegen, dass er keinen nennenswerten Einfluss auf das dortige Wassergeflügel hat. Bei den zahlreichen Untersuchungen seiner Mageninhalte in verschiedenen Gebieten Europas fehlte es aber meist an ausreichend Probematerial aus den Brutgebieten potentieller Beutetierarten, weshalb eine generelle Aussage über den Einfluss des Enoks auf Wasservogelbestände bisher nicht möglich ist. Auch über die Auswirkungen der Marderhund-Ausbreitung auf lokale Amphibienpopulationen kann bisher nur gemutmaßt werden. Zwar ist erwiesen, dass Frösche und Lurche ganz oben auf dem Speiseplan des Enoks stehen, Untersuchungen zu seinem tatsächlichen Raubdruck fehlen aber.
Vom Waschbären ist bekannt, dass er in seiner nordamerikanischen Heimat unter anderem Wasserschildkröten frisst. Dabei ist er einer der wenigen Prädatoren, der auch adulten Schildkröten gefährlich werden kann, denn er ist geschickt genug, um ihren harten Panzer zu „knacken“. Mittlerweile besteht der Verdacht, dass deshalb die Restvorkommen der europäischen Sumpfschildkröte unter der Ausbreitung des Waschbären in Europa leiden. In einer untersuchten Reliktpopulation der Sumpfschildkröte in Nordostdeutschland häuften sich in den letzten Jahren die Funde von getöteten und verletzten Tieren, deren Verletzungen dem Fraßbild nordamerikanischer Waschbären ähneln – handfeste Beweise, die den Täter überführen, gibt es aber bisher nicht. Trotzdem fürchtet man auch im Nationalpark Donauauenein ein ähnliches Schicksal für die letzten dort lebenden Sumpfschildkröten. Es ist außerdem möglich, dass der fingerfertige Waschbär als guter Kletterer eine Bedrohung für seltene Fledermausarten, Segler oder andere koloniebrütende Vögeln darstellt; hierfür sind aber bisher keine ernstzunehmenden Hinweise bekannt. Gebietsweise wird der Waschbär hingegen schon fast als Nützling angesehen: So wünscht sich mancher Fischer in Revieren mit Kormoran-Brutkolonien oder einer hohen Graureiherdichte mehr von den „nestraubenden“ Kleinbären. Obwohl schon gelegentlich Waschbären in den Nestern von Graureiher und Kormoran beobachtet wurden, ist ihr Einfluss auf deren Bruterfolg bisher nicht wissenschaftlich erwiesen. Ob diese Form der natürlichen Regulierung erwünscht wäre, liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Enok und Waschbär üben als typische Sammler keinen erheblichen Raubdruck auf mögliche Beutetierpopulationen aus. Für Restvorkommen seltener Arten können sie jedoch ein zusätzliches Problem im täglichen Überlebenskampf darstellen.

Futterdiebe und Baubesetzer? – Konkurrenz zu einheimischen Tierarten Waschbären werden immer häufiger in den Nistplätzen größerer Vogelarten gesehen – in denen des Uhus zum Beispiel. Bei den jährlichen Uhu-Nistplatzkartierungen in Thüringen (Mitteldeutschland) konnte in den letzten Jahren zunehmend deren „Belagerung“ durch den Neubürger festgestellt werden. Für den gefährdeten Uhu kann dieser Verlust geeigneter Nistplätze ein ernsthaftes Problem darstellen. Eine Konkurrenz um Schlaf- und Wurfplätze zwischen Waschbären und der seltenen Wildkatze besteht hingegen nicht; das konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden. Anders als einheimische Raubsäuger sucht der Waschbär seine Nahrung meist durch Betasten – diese andersartige Beschaffung der Nahrung macht eine Rivalität um ebensolche sehr unwahrscheinlich. Der Marderhund hingegen wurde aufgrund seiner ähnlichen Lebensweise häufig als Konkurrent von Dachs und Fuchs dargestellt. Dagegen spricht die mittlerweile 50jährige Koexistenz von Enok und Dachs in Finnland, wo die Bestände beider Arten zeitgleich anstiegen. Außerdem ist der Marderhund als Untermieter sowohl leer stehender als auch bewohnter Dachsburgen bekannt – eine Verdrängung findet hier also nicht statt. Die Annahme einer Konkurrenz zum Rotfuchs hielt sich deutlich länger. Neuere wissenschaftlicheUntersuchungen zeigen aber auch bei diesen beiden Raubsäugern unterschiedliche Habitatvorlieben und nur teilweise eine Überlappung der Nahrungszusammensetzung. Auch die Entwicklung der Jagdstrecken in Regionen mit hohen Marderhunddichten, z.B. in Nordostdeutschland, deutet keinesfalls auf eine Verdrängung des Fuchses hin. Hier blieben die Fuchsstrecken trotz eines enormen Anstiegs der Marderhundstrecken in den 1990er Jahren stabil. Mit Marderhund und Waschbär breiten sich also zusätzliche Prädatoren in unseren Revieren aus, die offensichtlich mit den einheimischen Raubsäugerarten koexistieren können.

Zoonosen – Gefahren für uns Menschen Neben der Bedrohung der heimischen Tierwelt wird Waschbär und Marderhund auch die Beeinträchtigung unserer Gesundheit nachgesagt. Und tatsächlich können diese Raubsäuger Krankheiten und Parasiten übertragen, die auch für uns Menschen gefährlich sind – so genannte Zoonosen. Die wohl gefährlichste Krankheit, die von Wildtieren übertragen werden kann, ist die Tollwut, an der weltweit jährlich mehr als 55.000 Menschen sterben (die meisten davon in Indien). In Europa gilt der Rotfuchs als Hauptüberträger der Tollwut. Allerdings ist auch der Marderhund sehr empfänglichfür das Tollwutvirus und seine Bedeutung als Überträger dieser Krankheit wächst. So waren beispielsweise bei der Tollwutepidemie, die Ende der 1980er Jahre in Finnland herrschte, über 70% der infizierten Tiere Marderhunde. Durch seine in Europa zunehmende Bestandesdichte, geht vom Enok bei der Aufrechterhaltung der Tollwutinfektion im Wildtierbestand also eine ähnliche Gefahr aus wie vom Rotfuchs. Zwar gilt Österreich, dank der regional durchgeführten Impfaktionen, seit 2008 als tollwutfreies Gebiet, bei einer zukünftigen Ausbringung von Impfködern ist es aber ratsam, auch die Biologie des Marderhunde zu berücksichtigen. Der Waschbär ist in seiner nordamerikanischen Heimat eine der am häufigsten an der Tollwut erkrankten Tierarten. In Europa spielt er bisher aber keine Rolle im Tollwutgeschehen. Das mag vor allem daran liegen, dass erkrankte Waschbären häufig an Bewegungsstörungen leiden und sich vermehrt in ihre Höhlen zurückziehen, somit also kaum andere Tierarten oder Menschen infizieren. Auch aus den USA und Kanada sind bisher nur einzelne Fälle einer Tollwutübertragung von Waschbär auf Mensch bekannt. Trotzdem ist die Gefahr durch tollwütige Waschbären nicht zu unterschätzen, warnen amerikanische Behörden. Denn diese Kulturfolger leben häufig in unmittelbarer Nähe zu uns Menschen, entwickeln somit eine geringe Scheu und interagieren nicht selten mit unseren Katzen und Hunden. Durch seine Nähe zum Menschen kann der Waschbär auch ein weiteres Gesundheitsrisiko darstellen: eine Übertragung des Waschbärspulwurms (Baylisascaris procyonis). Die von Waschbären ausgeschiedenen Eier dieses Parasiten können sich im menschlichen Körper weiterentwickeln und zu schweren Schäden des Zentralnervensystems führen, die manchmal sogar tödlich enden. Das Infektionsrisiko ist relativ gering, da eine gewisse Menge der Eier aufgenommen werden muss. Jedoch sind in den USA insbesondere Kleinkinder davon betroffen, die z.B. kontaminierte Erde in den Mund stecken. Aber auch Jäger, Präparatoren und Biologen gehören zu den Risikogruppen. Der Waschbärspulwurm konnte auch bei deutschen Waschbären schon mehrfach nachgewiesen werden. Die Krankheitshäufigkeit in den verschiedenen Waschbärpopulationen ist aber regional unterschiedlich – für Österreich liegen bisher keine Daten vor. Der Marderhund bringt keine neuen Parasiten mit, ist aber ein neuer Wirt für den in ganz Österreich vorkommenden Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis). Die Häufigkeit mit der dieser Parasit in den österreichischen Fuchsbesätzen vorkommt, ist vergleichsweise gering. Jedoch nimmt durch den Anstieg der Fuchsdichten und durch die fortschreitende Verbreitung des Marderhundes auch die Umweltkontamination mit Fuchsbandwurmeiern zu. Der Fuchsbandwurm kann, fünf bis zwanzig Jahre nach einer Infektion, bei befallenen Menschen die Zerstörung von Leber, Lunge oder Gehirn hervorrufen. Auf Grund dieser Zeitverschiebung bis zum Auftreten der Symptome können kaum Aussagen über die Infektionshäufigkeit getroffen werden.Grundsätzlich sollten Personen die direkten Kontakt zu Fuchs oder Marderhund (oder zu deren Bälgen) haben, ein gewisses Maß an Hygiene beachten (Händewaschen, ggf. Handschuhe und Mundschutz tragen; siehe auch Der OÖ Jäger Nr. 123). Marderhunde können außerdem mit Trichinen infiziert sein und tragen somit zur weiteren Verbreitung dieses Parasiten bei. In Finnland wurde deshalb empfohlen, die Kadaver von potentiell infizierten Tieren zu vernichten, um eine Übertragung der Trichinen auf weitere Aasfresser zu unterbinden. Die Ausbreitung von Enok und Waschbär stellt also ein gewisses gesundheitliches Risiko für uns Menschen dar. Eine Übertragung der genannten Parasiten und Viren ist im Mitteleuropa zwar eher selten, kann aber schwerwiegende Folgen haben. Den Waschbären bzw. Marderhunden bereitet ein Befall mit den oben genannten Parasiten kaum Probleme. Deutlich schwerwiegender kann sich eine Staupe- oder Räudeepidemie auf deren Besätze auswirken. So ist beispielsweise die Jahresjagdstrecke des Marderhundes im nordostdeutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern aufgrund von Räude und Staupe von 23.134 im Jagdjahr 2007/2008 auf 7.283 erlegte Enoks in 2008/2009.
Was kostet uns diese Bio-Invasion? Sowohl Waschbär als auch Marderhund ernähren sich unter anderem von Getreide und mit Vorliebe von Mais. Dabei bedienen sie sich nicht nur an den ganzjährig zur Verfügung stehenden Schwarzwild-Kirrungen, sondern „ernten“ auch die frischen Pflanzen auf den Äckern. Die hierbei entstehenden Schäden für die Landwirtschaft sind aber nicht der Rede wert, wenn man sie mit den Verwüstungen der Schwarzwildrotten vergleicht. Der Waschbär hat aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Schleckermäulern – er ist ein guter Kletterer und gelangt auch an das erntereife Obst auf den Bäumen. In Gebieten mit mittleren bis hohen Waschbärdichten sind also Ernteeinbußen bei Obstplantagen denkbar; Schätzungen für die Kosten eines solchen Ernteverlustes gibt es jedoch nicht. Neben den Obstbauern kann der neue Nachbar Waschbär auch einzelnen Hausbesitzern einiges kosten. Denn in menschlichen Siedlungen, wo bis zu 100 Waschbären auf 100 Hektar leben (!) können, suchen die Kleinbären gerne Dachböden als Schlaf- und Wurfplätze auf. Hierbei kann es vor allem zu Schäden an der Dachisolierung und zu Urinflecken kommen, die schlimmstenfalls sogar an der Zimmerdecke zu sehen sind. Wer auf diese unliebsamen Untermieter verzichten möchte, sollte vor allem seine Abfalltonne gut verschließen und „Einstiegshilfen“ am Haus entfernen. In manchen deutschen Städten gibt es mittlerweile sogar spezialisierte Firmen, die Hausbesitzern bei solchen Maßnahmen helfen. Hat der Waschbär dort also gewissermaßen auch zum Wirtschaftwachstum beigetragen?
Und in der Jagd…? Jagdwirtschaftlich haben Enok und Waschbär keine große Bedeutung. Ihr Einfluss auf das Niederwild wird meist überschätzt und ihre hochwertigen Pelze finden heutzutage leider kaum noch Verwendung. Was den Erlebniswert der Jagd betrifft, so scheiden sich wohl die Geister bezüglich dieser neuen Wildarten Waschbär und Marderhund. Auf der einen Seite fürchten die klassischen Niederwildjäger nach wie vor Strecken-Einbußen, auf der anderen Seite freuen sich die ambitionierten Raubwildjäger über die neue Herausforderung.

Weitere Informationen: www.enok.at

Literatur:
Die Literaturliste kann beim OÖ Landesjagdverband, Mag. Christopher Böck, angefordert werden.
Tel: 07224/20083,
ch.boeck@ooeljv.at

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Fotos  Tanja Duscher

   
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